Früher Englisch & Sport am Gymnasium - Jetzt nur noch Tango!

Glückszwinger

Eine der ewi­gen Fra­gen der Päd­ago­gik: Darf ich — oder MUSS ich sogar viel­leicht — die mir anver­trau­ten Schü­ler auf­grund mei­ner jahr­hun­der­te­lan­gen Erfah­rung und fort­ge­schrit­te­nen Alters­weis­heit zu ihrem Glück zwin­gen? Darf ich ihr „auto­no­mes“ Nein igno­rie­ren, weil ich z.B. davon über­zeugt bin, dass es nur auf einer Mischung aus Unwis­sen­heit und Faul­heit besteht?

Kürz­lich 1: Ver­tre­tung Sport in einer gemisch­ten 5ten. Ich ver­kün­de, dass wir Fuß­ball spie­len — zu mei­ner Über­ra­schung gro­ßes Pro­test­ge­schrei: „Fuß­ball ist dooof, wir wol­len lie­ber …“. Es stellt sich her­aus, dass die Klas­se aus irgend­ei­nem Grund bis­her noch nicht Fuß­ball gespielt hat. Dass Mäd­chen bei Fuß­ball mau­len ist nor­mal, dass die Jun­gen auch nicht wol­len, ist eher unge­wöhn­lich. Ich wer­de einen Moment lang unsi­cher. Frü­her habe ich sol­chen Situa­tio­nen argu­men­tiert, dis­ku­tiert und moti­viert („life-time Sport­art … Frau­en­fuß­ball vor allem in Deutsch­land … Kicken in der Frei­zeit …“). Das ist mir inzwi­schen immer häu­fi­ger zu müh­sam und zeit­rau­bend, also bas­ta, wir spie­len Fuß­ball und — kei­ne Fra­ge — ALLE müs­sen mit­spie­len. Nach weni­gen Minu­ten ohren­be­täu­ben­der Lärm der Zuschau­er — ein gutes Zei­chen. Am nächs­ten Tag kommt gleich in der ers­ten Pau­se ein Pulk Mäd­chen ange­saust und fragt, wann sie end­lich wie­der Fuß­ball spie­len kön­nen, das sei „echt cool“ gewesen.

Kürz­lich 2: Ver­tre­tung in einer 7ten. Ich ver­kün­de, dass wir in die Sport­hal­le gehen („Wir haben aber kein Sport­zeug dabei!!!“) und jon­glie­ren. Empör­tes … (sie­he oben). Die Schü­ler hat­ten sich men­tal bereits dar­auf ein­ge­stellt, Haus­auf­ga­ben zu machen oder „Schif­fe ver­sen­ken“ zu spie­len. Frü­her habe ich in sol­chen … (sie­he oben). Talen­tier­te Schü­ler schaf­fen es in nur 45 Minu­ten die Grund­form der sog. „Kas­ka­de“ zu jon­glie­ren — ein tol­les Erfol­g­er­leb­nis. Ein paar Tage spä­ter kommt einer der Kna­ben, der am lau­tes­ten gen­ölt hat in der Pau­se zu mir und zeigt mir stolz mit eige­nen (!) Bäl­len eine per­fek­te Kas­ka­de und die ers­ten Tricks.

Kürz­lich 3: Ver­tre­tung in einer 8ten. Aus­nahms­wei­se ist mal der Com­pu­ter­raum frei und ich ver­kün­de, dass wir ein biss­chen tip­pen. Empör­tes … (s. oben) — Frü­her … (s. oben). Ein paar Tage spä­ter … (s. oben).

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  1. Ich den­ke, ja, wir dür­fen und müs­sen Schü­ler zu ihrem Glück zwin­gen. Allein schon mal des­halb, weil wir 30 Schü­ler oder mehr vor uns haben, und die Mög­lich­kei­ten der Bin­nen­dif­fe­ren­zie­rung in einer Ver­tre­tungs­stun­de – und auch sonst – sehr gering sind. Ver­mut­lich ist es oft nicht für alle 30 ein Glück, aber wenn der Leh­rer ein gutes Augen­maß und etwas Erfah­rung hat, kann es das für die meis­ten sein. Es muss nicht jeder alles kön­nen oder mögen, aber frü­her oder spä­ter ist für jeden was dabei.

    Wie üblich gel­ten sol­che Regeln immer nur für ande­re 🙂 Ich kann mich nicht erin­nern, dass ich mich als Schü­ler jemals zu etwas gezwun­gen fühl­te, das mir danach doch Spaß mach­te. Ich war aber auch ein sehr wil­li­ger Schü­ler und habe das meis­te mit­ge­macht. Bis auf das Lang­stre­cken­schwim­men im Grund­kurs. (Ich weiß nicht mehr, es war ent­we­der eine lan­ge Zeit oder eine lan­ge Stre­cke, und die Noten­aus­sicht war übel.)

    • > Lang­stre­cken­schwim­men im Grund­kurs. (Ich weiß nicht mehr, es war ent­we­der eine lan­ge Zeit oder eine lan­ge Strecke,

      Das waren ver­mut­lich 400m. Das ist für untrai­nier­te Schü­ler in der Tat ziem­lich lang und außer­dem ver­liert man als Leh­rer schnell den Über­blick, wer schon wie­vie­le Bah­nen geschwom­men ist.

  2. Sabine

    An wel­che Leh­rer aus dei­ner Schul­zeit hast du die posi­tivs­ten Erin­ne­run­gen? Wel­che Leh­rer sind bei den Schü­lern in dei­ner Schu­le die belieb­tes­ten? Die­je­ni­gen, die ihre Schü­ler nicht for­dern oder z.B. in Ver­tre­tungs­stu­den „chil­len“ und „abhän­gen“ las­sen? Nein, wohl eher die­je­ni­gen, die ihre Schü­ler for­dern und ihnen die Gele­gen­heit geben zu zei­gen, was in ihnen steckt.

    „Aus dem Nichts alles her­aus­ho­len, was nicht dar­in­nen war, ein wun­der­ba­res Glück gött­li­cher Schöp­fungs­kraft.“ (Emil Nol­de, 1941)

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